Jan Wicki

Unser Sohn Jan ist 2004 mit einem seltenen Gendefekt zur Welt gekommen: Stoffwechselerkrankung Mukopolysaccharidose Typ IIIa (Sanfilippo).

Seine Geschichte:

Von Anfang an war seine Entwicklung verzögert und er war ein sehr forderndes Kind, das viel Aufmerksamkeit benötigte und immer hungrig war. Aber auch viel lachte - ein richtiger "Strahlemann".

2005 kam unser zweiter Sohn Kai zur Welt. Auch er war ein kleines Wunder und wir genossen eine kurze unbeschwerte Zeit als Familie.

Mit 3 Jahren durfte Jan zum ersten Mal zur Entwicklungspsychologin. Sie stellte fest, dass unser Sohn nicht nur eine Entwicklungsverzögerung hat sondern etwas Gravierendes mit ihm nicht stimmte. Es gab einige Dinge, die er nicht konnte. Sein jüngerer Bruder überholte ihn bereits in der Entwicklung.

Es begann die Suche nach der Ursache. Man stellte fest, dass Jan einen sehr geringen IQ hatte und bei den diversen Untersuchungen fiel auch auf, dass er eine grosse Milz und sehr grosse Rachen- und Gaumenmandeln hatte. Es wurde vermutet, dass seine Schluck- und Hörprobleme wahrscheinlich davon kommen. Deshalb wurden ihm 2007 die Rachen- und Gaumenmandeln entfernt und Paukenröhrchen eingesetzt. Aber wieso Jan diese vielen Verhaltensauffälligkeiten hatte, wusste zu diesem Zeitpunkt niemand. Schliesslich wurden wir für weitere Untersuche in der Neuropädiatrie angemeldet. Dort sollte die Suche ein Ende haben. Eine kompetente Ärztin, die bereits mit Kindern, die an dieser Stoffwechselkrankheit erkrankt sind, gearbeitet hat, sah unserem Sohn das "Problem" an. Sie deutete alle Zeichen richtig und nach einigen Untersuchungen bekamen wir 2008 - Jan war etwas

mehr als 4 Jahre alt - die erschütternde Diagnose. Da dieser Gendefekt


vererbbar ist, mussten wir auch Kai testen lassen. Er hat den Gendefekt nicht geerbt und ist gesund! Dafür sind wir unendlich dankbar.

Es folgte eine schwere Zeit. Wir mussten verdauen, dass Jan sterben wird. Die Krankheit verläuft sehr schnell. 2009 verlor er die Sprache und damit die Möglichkeit zu kommunizieren. Es war aufgrund der geistigen Behinderung nie möglich, ihm ein anderes Sprachsystem beizubringen. Im selben Jahr verlernte er Fahrrad- und Trotinett fahren und bekam Hörgeräte.

Im Jahre 2010 durften wir mit der Geburt unserer gesunden Tochter Mia schöne Momente erleben. Wir versuchten so gut es ging eine normale Familie zu sein. Die Jungs liebten ihre Schwester und so genossen wir viele glückliche Stunden.

2011 traten bei Jan vermehrt Schluckprobleme auf und der Speichelfluss nahm massiv zu. Ein Jahr später kamen Gleichgewichtsstörungen dazu und er konnte nur noch an der Hand geführt gehen. Mehr und mehr bekam er Spitzfüsse, das dazu führte, dass er Einlagen und Nachtschienen benötigte. Im 2013 beantragten wir den ersten Rollstuhl. Das war für uns alle ein harter Schlag. Mit einem Rollstuhl sieht die Welt nochmals ganz anders aus. Wir waren gezwungen unsere Eigentumswohnung zu verkaufen, weil es keine Möglichkeit gab, diese rollstuhlgängig umzubauen. Zu viele Treppen - zu enge Räume. Wir zogen in ein Mietshaus. Allerdings nur für kurze Zeit. Wir verwirklichten uns mit viel Engagement ein rollstuhlgängiges Eigenheim. So durften wir 2014 mit dem Umzug in unser Haus ein weiteres Highlight als Familie erleben.

Kurz vor dem Umzug bekam unser Sohn epileptische Anfälle (Grand Mal) und einige Monate später folgten Spastiken. Auch das "freie Sitzen" bereitete ihm immer mehr Mühe.

Im 2015 bekam er ein "Mini-One-Button" (Magensonde). Darüber erhielt er genügend Flüssigkeit und seine Medikamente. Püriertes konnte er noch essen - das wollten wir ihm so lange es ging ermöglichen.

Inzwischen mussten wir auch unser Fahrzeug wechseln - zu einem mit Rampe und ausfahrbarem Sitz. Jan war mehrmals wegen Lungenentzündungen und schweren epileptischen Anfällen im Spital. Einige Male auch mit der Ambulanz. Je älter er wurde umso mehr baute er gesundheitlich ab. Die schweren myoklonischen Anfälle, von denen niemand so genau wusste, was es eigentlich war, setzten ihm sehr zu. Sie dauerten 45 bis 60 Minuten und forderten jegliche Energie, die er noch hatte. Nach einem Spitalaufenthalt aufgrund solcher schweren myoklonischen Serien-Anfällen, verweigerte er das Essen. Seine Leidenschaft "Essen", konnte er nicht mehr geniessen. Eine erneute Einschränkung, die unseren Alltag prägte und viele Dinge erschwerte. 

2019 bekam er eine Baclofen-Pumpe (Schmerzpumpe). Er meisterte Corona ohne sich anzustecken, erlebte seinen 18. Geburtstag. Wechselte von der Rodtegg (Schulzeit) Teilzeit auf eine Wohngruppe in der SSBL. Er verbrachte viel Zeit zu Hause. Dienstag- und Freitagabend holten wir ihn nach Hause, so dass er Mittwoch, Samstag und Sonntag bei der Familie sein konnte. 

Im Mai 2022 bekam Jan eine schwere Lungenentzündung und wurde auf die Intensivstation eingewiesen. Am dritten Tag informierten uns die Ärzte, dass Jan sterben wird. Wir verabschiedeten uns von Jan und zeigten ihm, dass wir ihn begleiten werden, wie auch immer er sich entscheiden wird. Jan fing an zu kämpfen und wir durften ihn zwei Wochen später mit nach Hause nehmen. Wir freuten uns auf einen weiteren Familienurlaub in Meersburg.

Es wurde uns nie langweilig. Es gab ständig etwas dazu zu lernen und wir sind alle Meister darin, uns an neue Situationen anzupassen. Es war ein Vollzeitjob für die ganze Familie!

 

Jan 🤍 ist mit 18 Jahren am 28. Oktober 2022 bei uns zu Hause gestorben!

 

Lieber Jan, wir werden dich nie vergessen. Du bist und bleibst immer in unseren Herzen. Wir vermissen dich und dein wunderschönes Lachen! Du warst eine unglaublich starke Persönlichkeit. Es ist beeindruckend mit wie viel Geduld du deine Krankheit ertragen hast. Wir sind dankbar für die Zeit, die wir mit dir verbringen durften. Unendlich dankbar und stolz, dass du unser Sohn bist.

 

Wir lieben dich - für immer!